In vielen Foren findet man unzählige Berichte, Ratschläge und Vergleiche zu den Fragen welche Putze. Es werden dort Vergleiche angestellt, die aus meiner Sicht so nicht möglich sind. Ein Fertigmörtelputz ist nicht vergleichbar mit einem Luftkalkmörtelputz. Ansatzweise habe ich das Thema ja schon in den Beiträgen “Kalk, Kasein, nicht nur ein Rohstoff” und “Wie kommt der Schimmel an die Wand” aufgegriffen. Die Problematik gerade des Kalkputzes und was dazu alles geschrieben wird, bedarf doch einer allgemein verständlichen Erklärung und teilweisen Richtigstellung. Sicherlich ist es heute ein entscheidenes Kriterium, der Preis. Was dabei aber in Betracht kommt, muß über den zum Zeitpunkt X gezahlten Betrag meines Erachtens hinausgehen, um eine faire, objektive Betrachtung zu ermöglichen. Sicherlichlich kann ich mit einer Putzmaschine als tradierter Putzer nicht mithalten und ich will es auch nicht. Die Technologien und verwendeten Mischungen und damit das Endprodukt unterscheiden sich doch grundlegend. Ich werde hier einmal auf einige Besonderheiten, ohne mich in Fachchinesisch zu verstricken, eingehen, um die wesentlichen Unterschiede darzustellen.
Beginnen wir beim Fertigmörtelputz, Mauer- Putzmörtel, wie er heute meist bezeichnet wird, der die Bezeichnung Kalk-Zementmörtel schon fast verdrägt hat, der in der Regel verwendet wird. Vor Jahren hat man beim Anmischen den Kalk noch geahnt. Welche Bestandteile heute im Mörtel vorhanden sind, verbirgt sich hinter einer schwammigen Europanorm, nach dem die Mischung eingeordnet ist. Nach den sogenannten Volldeklarationen, die also die Katze aus dem Sack lassen, suche ich bei vielen Produkten immer noch vergeblich. Hat man sich dann mal durchgefunden endet man wie bei baumit beim technischen Merkblatt, das wieder nicht alle Bestandteile offenlegt (siehe links: http://bau-umwelt.de/download/C3b1df8c5X13bdb4edc40X3f48/EPD_BMT_2009231_D.pdf und weiterführend als Beispiel http://www.baumit.de/upload/Technik/TMSDCE/DE/TM/01Oberputze_und_Farben/EdelFilzputz_EFP_01_ce06.pdf). Es kann davon ausgegangen werden, das neben den herkömmlichen Bindemitteln Kalk, Weißzement und Zement eine ganze Reihe von Zusatzmitteln, wie Trass, Hochofenaschen, Ziegelmehl, Wasserglas, Kunstharze, Dispersionen und Metylzellulose in den verschiedensten Mixturen verwendet werden. Viele dieser Bestandteile sind entweder hochenergetisch in der Herstellung (Zement) oder fallen in einem anderen Verfahren an und müssen einfach optimal entsorgt werden. Das Resultat all dieser Beimengungen ist ein starrer Putz, der für den Flüssigkeitstransport im Baustoff sich als Bremse auswirkt. So lange alles Trocken bleibt, mag dies ja noch angehen, aber dies ist eine Ausnahme, von der man nicht ausgehen sollte. Sich nur auf die Diffusion, besser gesagt den Transport von Wasser in seinen gasförmigen Zustand (Wasserdampf) auszugehen, hieße seine Hoffnung auf einen Strohhalm im reißenden Fluss zu beschränken, da er nur im Promillebereich, gegenüber dem normalen Feuchtigkeitstransport in Bauteilen wirksam wird. Dabei lassen wir weiterhin außer Acht, das diese dichten Baustoffen auch wesentlich weniger klima- bzw. feuchteregulierend wirksam werden. Andererseits geben sie einmal aufgenommene Feuchtigkeit aus dem gleichen Grund auch wesentlich schlechter ab. Durch eingelagerte organische Bestandteile, Pratikel und Gase z.B. CO2, in der Lösung entstehen u.a. Salze. Diese ergeben in Verbindung mit Temperaturschwankungen dann durch Kristallisation das Abplatzen der Farbe oder das Hohlwerden von Putzen, weil die Adhäsion zum Untergrund durch Volumenvergrößerung verloren gegangen ist. Die Reihe der negativen Auswirkungen all dieser Bestandteile ließe sich noch fortführen und wird durch den Umstand, das wir heute den Maschinenputz den Vorrang geben noch potenziert. Bei einem normalen Kalkmörtel habe ich eine natürliche Sieblinie von 0 – 4, max 8 mm und ein Mischungsverhältnis zwischen Bindemitteln (Kalk, Zement) und Zuschlagstoffen (Sand) von 1 : 3 bis 5. Verallgemeinert kann man sagen, der Anteil an Kalk/Zement höher werden muß, wenn das maximale Größtkorn der Sieblinie kleiner wird oder die normale Abstufung, z. B. durch künstliches Waschen unterbrochen ist. Die Werksmörtel haben meist ein Größtkorn von 2 mm und sind entweder gewaschen oder um die Festigkeit zu erhöhen, sind die Zuschlagstoffe künstlich gebrochene Materialien (Kalkstein, Ziegel, Beton). Dies macht sich einfach erforderlich, weil natürlich vorkommende Sande sich nur schwer für die Verwendung in Putzmaschinen eignen. Kommt es zu einer Unterbrechung und es wird oft unterbrochen, ist jede Kupplung ein Risiko, da an dieser Stelle der Sand sein fatales Spiel treibt. Durch die Vibration setzt er an der Verjüngung der Leitung sich in seinem natürlichen Sediment ab, was an der Wand ein überaus günstiger Zustand ist, und blockiert den Weitertransport. Da weder eine Verdichtung durch genügend zugeführte Energie bei Pumpen und an die Wand spritzen dem Mörtel zugeführt wird, die Putzer müßten sonst in Kosmomautenanzügen rumlaufen, müssen diese Mörtel einen hohen Anteil an Zementen und klebenden Zuschlägen haben. Sicherlich bleibt am Ende die Erkenntnis, das wesentlich größere Flächen fertig werden, also die Bauzeit sich für den Augenblick deutlich gegenüber dem traditionellen Handwerk verkürzt. Dies läßt aber kein Urteil zu, da es spätere Folgen dieser Technologie außer Acht läßt. Reparaturen an solchen Flächen sind dagegen zeit- und kostenintensiv und nicht selten.
Der traditionelle Kalkputz ist ein über Jahrhunderte, wenn nicht über Jahrtausende entwickeltes Handwerk, das sich vor allem an den natürlichen Voraussetzungen orientiert hat. Leider sind in den letzten 40 Jahren viele Techniken und Rezepturen in Vergessenheit geraten. Aber wie unsere Vorfahren lassen sie sich wieder durch Kenntnis der Vorgänge empirisch wiederbeleben. Dies ist ein interessantes Feld und es ist dem Handwerker, der sich auf diesen Umstand einläßt, eine breites Betätigungsfeld gegeben, in dem er sich schöpferisch, ganz im Gegensatz zu seinen Kollegen an der Putzmaschine, einbringen kann. Vor kurzem schrieb ich in einem Kommentar, “das Wichtigste, was ein Handwerker benötigt, ist die Liebe zu seinem Beruf”. Damit wird er all die Schwierigkeiten meistern, die bei dem Betreten von Neuland ihm entgegenstehen. Aber kommen wir zum Hauptanliegen, dem Kalkputz. Grundsätzlich braucht man für ihn wesentlich mehr fachliche Kenntnis, in der Herstellung, also dem richtigen Mischungsverhältnis, der Verarbeitung und Nachbehandlung. Dies ist sicherlich unter heutigen Umständen ein Nachteil, da er wesentlich arbeitsaufwendiger ist. Langfristig ist dies nicht der Fall, da diese Putze nicht selten mehr als hundert Jahre ihre Funktion erfüllen. Ich unterscheide hier nicht sonderlich zwischen Sumpfkalk oder Weißkalkhydrat. Sicherlich ist in bestimmten Situationen, Sumpfkalk bei entsprechender langer Lagerung von Vorteil. Hier soll es mehr allgemein um den Kalkputz gehen. Ich übergehe hier einmal grob den Prozeß, wie aus Kalziumhydroxid und Kohlendioxid durch Kristallisation Kalziumkarbonat (Kalkstein) wird. Für mich ist es wichtig, wenn ich keinen Sumpfkalk verwende, das Hydrat vor dem Putzen rechtzeitig einzusumpfen, da dadurch die Bindemittelausbeute optimiert wird und eine gleichmäßige Durchmischung mit dem Sand erfolgt. Zusätzlich reizt es weniger die Atemwege. Da der Sand ein natürliches Vorkommen ist (Grundensand) bedarf es schon einiger Erfahrung ein optimales Mischungsverhältnis zwischen Sand, Kalk und Wasser einzustellen. Daher kann man das Mischungverhäkltnis nicht ganz genau festlegen. Kalkputz ist gegenüber den meisten Werkmörteln, auch bei Kalkwerkmörteln, wesentlich weicher, was man durch die Zugabe von Zuschlägen je nach Einsatz variieren kann, durch den Einsatz z.B. von Trassmehl, der eine an wassergebundene Erhärtung, damit schneller und fester fest wird, ermöglicht. Bei all den Variationen geht es nicht um Mengen, sonder um Zusätze imProzent- bzw. Promillebereich. Es gibt darüber hinaus viele Möglichkeiten, die aber jahrelange Erfahrung voraussetzen. Dies ist ein ganz wesentlicher Vorteil, es gibt einen Grundputz, der an nahezu alle Anwendungsmöglichkeiten angepaßt werden kann, die man selbst vor Ort, sicherheitshalber bei einem Probefeld, bestimmen kann. Der wichtigste Unterschied liegt in der natürlichen Zusammensetzung. Der Hauptbestandteil ist der Sand. Hier entscheidet nicht das Bindemittel über die Endfestigkeit, sondern im Wesentlichen der Zuschlagsstoff. Es gibt Sockelputze, bei den man zusätzlich ein Überkorn zugemischt hatte, um die Festigkeit zu erhöhen. Durch den Anwurf des Putzes mit der Kelle entsteht ein künstiches Sedimentgestein an der Wand, weil die Sandkörner sich in die jeweilig günstige Position bewegen. Durch aufziehen und verreiben wird dieser Prozeß weiter optimiert. Wer einmal einen frischen Putz von der Wand gekratzt hat, wird dies bestätigen. Hinzu kommt, das auch die Haftung des Putzes auf dem Untergrund durch die pysikalischen Eigenschaften des Kalks, hohe Adhäsion, Klebekraft, und durch die Technik des Anwerfens erheblich höher ist, als bei vergleichbaren Maschinenputzen. Bei den industrieellen Putzen kommt noch abreiben oder filzen und dann Schluß. Beim Kalkputz, kommt es hier auf das Fingerspitzengefühl an. Reiben kann man den Putz noch lange. Am besten ist es ihn aber, wie es heißt “im eigenen Saft zu reiben”, d.h. ohne großen Zusatz von Wasser, weil dadurch kein Bindemittel ausgewaschen wird. Bei all dem spielt zusätzlich das Wetter, Sonne und Wind ausschlaggebende Faktoren. Abschließend erweist es sich als günstig ihm noch mit einer dünnen Kalkmilch nachzubehandeln um ihn in seiner Anfangserhärtungszeit vor den Witterungseinflüssen, ähnlich unser Sonnenkreme, zu schützen. Der Abbindeprzeß unterscheidet sich entscheidend, das er zur Erhärung Kohlendioxid benötigt und nicht das Anmachwasser bindet. So versintert er von der Oberfläche langsam und benötigt mehrere Jahre um ganz auszuhärten. Da er offenporig ist, kann er große Mengen Wasser aufnehmen und wieder an die Luft abgeben. In diesem Prozeß wird ihm Kohlendioxid zugeführt. Gleichzeitig wird gelöster Kalk an Stellen transportiert an denen auf Grund von Witterung der Kalkstein ausgespühlt worden ist. Es ist also im begrenzten Maß in der Lage sich selbst zu reparieren, “zu heilen”, wie man sagt. Aus diesen Vorgängen erklärt sich die lange Haltbarkeit von Kalkputzen. Auch wenn es eine sehr anstrengende und ermüdende Arbeit ist, steigt man von der Rüstung, hat man sich selbst wieder ein Denkmal gesetzt.
© by M. Schmidt